Wenn schon Bitcoin – dann so

Von | 9. Dezember 2017

Wilde Kurssprünge bringen auch Skeptiker auf den Geschmack der digitalen Währung
Werner Grundlehner

«Ein Papier, also ein Bitcoin-Zertifikat oder einen ETF, statt eines Bitcoins zu kaufen, ist, wie wenn man eine E-Mail ausdruckt und sie per Fax versendet», sagt Christian Mäder von Bitcoin News zu den neusten Anlageprodukten von Finanzinstituten auf Kryptowährungen. So habe ein privater Anleger keinen Zugang zum Private Key seiner Bitcoins. Damit sei der «Witz» und das Revolutionäre weg. Der Besitzer würde so nicht in den Genuss des Nutzens und der Möglichkeiten dieser neuen Technologie, wie etwa Multi-Signature Transaction u. a., kommen.

Die Meinungen zu Bitcoin sind gemacht. Technologie-Interessierte sind begeistert vom System der Kryptowährungen, die dezentral, das heisst unabhängig von Notenbanken und auch geografisch nicht gebunden, in einem Rechnernetzwerk unter Zuhilfenahme einer speziellen Software geschaffen und verwaltet werden. Traditionelle Ökonomen auf der anderen Seite glauben nicht daran, dass Bitcoin, Ether & Co. etablierten Währungen den Rang ablaufen können.

Dazu fehle das Vertrauen in den Emittenten, und es gebe keine hinterlegte Sicherheit. Die gibt es zwar bei Währungen auch nicht, doch spiegelt eine Landeswährung die Wirtschaftskraft und das Vertrauen, das dem betreffenden Staat entgegengebracht wird. Zudem erachten die «Traditionalisten» das Volumen der Kryptowährungen als viel zu beschränkt, um dereinst die etablierten Zahlungsmittel abzulösen.

Doch wenn sich der Wert eines Produktes innert eines Jahres vervielfacht und in den Medien ausführlich darüber berichtet wird, weckt dies das Interesse der Investoren, egal ob sie das System der Digitalwährungen verstehen oder an dessen Durchbruch in der Zukunft glauben. «Ich bin von den technischen Möglichkeiten, die hinter Bitcoin stecken, beeindruckt, aber ich wage keine Prognose, ob es diesen in zwanzig Jahren noch gibt – wir werden sehen», sagt Eric Blattmann, Leiter des öffentlichen Vertriebs von Finanzprodukten bei der Bank Vontobel. Mit einem Tracker-Zertifikat auf den Bitcoin wollte die Bank gemäss Blattmann ein investierbares Produkt für den Durchschnittsanleger anbieten, ohne dass dieser selbst an Bitcoin-Börsen aktiv werden und ein eigenes Web-Wallet führen muss.

Das Zertifikat ist ein Erfolg: An vielen Tagen ist es das meistgehandelte strukturierte Produkt an der Schweizer Börse. Das anfangs kleine Emissionsvolumen des Zertifikats mit einer Laufzeit von zwei Jahren wurde schnell auf 20 Mio. Fr. aufgestockt und mittlerweile auf 40 Mio. Fr. erhöht. Vontobel kauft direkt an einer Börse Bitcoin im Gegenwert für die verkauften Zertifikate, damit kein Kursrisiko gegenüber dem Kunden entsteht. Ein Produkt ohne Laufzeitbeschränkung und auch ein Tracker auf Ethereum stehen bei der Bank zur Diskussion.

Auch andere Finanzdienstleister bereiten Produkte vor. Die Schweizer Firma Crypto Fund gab jüngst bekannt, bis Ende Jahr den Cryptocurrency Fund lancieren zu wollen. Das indexbasierte, passive Fondsprodukt soll qualifizierten Investoren Zugang zu einem Korb von Kryptowährungen geben. «Die Aufmerksamkeit und die Schlagzeilen zu den Kryptowährungen waren der Grund, weshalb wir mit unserem Projekt bereits jetzt die Öffentlichkeit suchten», sagt CEO Jan Brzezek.

Mit solchen Produkten kommen diese Anbieter den Vermögensverwaltern entgegen. Denn diesen erscheint vieles zum Erwerb von digitalen Währungen zu unsicher oder ist schlicht unbekannt. Zahlreiche Fragen stellen sich dem potenziellen Investor: Welche Kryptowährung soll man kaufen, macht man das direkt an einer Börse oder über einen Broker, braucht man für die Coins ein Web-Wallet, was mache ich mit dem ellenlangen Code, der beispielsweise so «5HpHagT65TZzG1PH3CSu63k8DbpvD8s5ip4nEB3kEsreAnchuDf» aussehen kann? Zudem gab es Börsenplätze, die Insolvenz anmeldeten und Zeichen-Codes, die verloren gingen.

Deshalb begrüsse er standardisierte Produkte wie etwa das Bitcoin-Tracker-Zertifikat von Vontobel, meint ein Vermögensverwalter. So müsse man nicht auf einer Bitcoin-Plattform investieren, was er als unsicher erachte. Mit einer Schweizer Bank sei das Emittenten-Risiko doch bedeutend kleiner und die Bonität besser, ergänzt er.

Es sei ganz normal, dass bei einem «gehypten» Produkt zuerst zu viel versprochen werde, gibt sich Lucas Betschart von der Bitcoin Association Switzerland ganz pragmatisch. Die Organisation wurde 2013 vor allem als Ansprechpartnerin für die Finanzmarktaufsicht Finma und als Kontaktstelle für die Presse gegründet. «Bitcoin direkt kaufen sollen nur die, welche die Technologie durchschauen», sagt er. Das dürften im Moment nur wenige sein. Alle anderen sollen nach Ansicht von Betschart ein Bitcoin-Anlageprodukt der Banken erwerben. Vorerst könne man Kryptowährungen eben nicht als Währung, sondern als Investitionsklasse wie etwa Gold anschauen. Dabei käme es auch vorläufig noch zu Preisturbulenzen wie bei Rohwaren.

Doch mit der Verbreitung der Kryptowährungen werde auch die Volatilität abnehmen. Der jüngste «Flash-Crash» bei Ether dürfe einen nicht erschrecken. Das sei für eine junge, wenig gehandelte Währung nicht erstaunlich. Betschart relativiert auch den «Heldenepos» um die Blockchain. Theoretisch seien wirklich viele Geschäftsfälle, die jetzt noch einen Intermediär brauchten, lösbar, doch derzeit könne die Technologie nur rund 1000 Transaktionen gleichzeitig erledigen. Man arbeite aber daran, diese Kapazitäten zu erhöhen.

Einer der ersten – und wenigen – Bitcoin-Automaten der Schweiz steht im Foyer des Beratungsunternehmens EY in Zürich. Das ist ein Mittel, um viele Mitarbeiter zur Verwendung von Bitcoin zu motivieren. «Dabei geht es nicht ums Spekulieren, die meisten Kollegen und Kolleginnen haben nur kleine Bitcoin-Bestände erworben», sagt EY-Partner Michel Stofer, der Finanzunternehmen bezüglich IT berät. Der Bitcoin sei dabei eigentlich eine Nebensache, es gehe darum, dass die Mitarbeiter Erfahrungen sammeln könnten im Umgang mit der Blockchain-Technologie, Smart Contracts und digitalen Wallets.

EY bietet seinen Kunden an, die Rechnungen in Bitcoin zu bezahlen. Das sei aber bisher nicht genutzt worden. Hier geht es darum, Erfahrungen mit digitalen Bezahlsystemen zu gewinnen. Die Abrechnungen würden zu tagesaktuellen Kursen gemacht, damit der Kunde grosse Bestände und das Risiko starker Schwankungen im Gegenwert aufgrund der hohen Volatilitäten vermeiden könne.

Stofer will das Potenzial von digitalen Währungen nicht einschätzen. Die Erfahrungen mit weltweiten Netzwerken, die zuvor so noch nie gemacht wurden, findet er aber spannend und hilfreich. Entscheidend ist für Stofer aber das Potenzial der Blockchain in zahlreichen Bereichen, die sicherer, effizienter und günstiger gemacht werden könnten, beispielsweise das Grundbuch oder das Wertschriften-Clearing. Digitale Währungen brauchten als Unterbau die Blockchain, diese könnte aber für verschiedenste Anwendungen auch ohne digitale Währungen eingesetzt werden.

Wer sich nicht zu weit aus dem Fenster lehnen will, aber die spekulativen Chancen der digitalen Währung nicht verpassen will, wird tendenziell auf ein Bankprodukt setzen. Wer die Technologie begreifen und «spüren» möchte, wird eine kleinere Summe in Bitcoin investieren und auf dem Web loslegen.

Aus dem NZZ-E-Paper vom 03.07.2017

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