5G; Ein Wirtschaftskrieg?

Von | 14. Juli 2020

NZZ; Aus dem NZZ-E-Paper vom 09.07.2020

Ein Gastkommentar von Julian Kamasa, er forscht am Center for Security Studies der ETH Zürich.

5G – ja, aber geopolitische Risiken minimieren

Das 5G-Netz ist als systemrelevante Infrastruktur für Innovationen von grosser Bedeutung. Technische und geopolitische Herausforderungen verlangen aber durchdachte Lösungsansätze.

Die Diskussion rund um die fünfte Generation der mobilen Telekommunikation (5G) ist oft geprägt von unzutreffenden Behauptungen oder gar Verschwörungstheorien. Dabei geht jedoch der Kern der Herausforderung vergessen: Wie soll ein Staat wie die Schweiz seine Netzwerke der Zukunft sicher ausgestalten und sich in einem hochkomplexen Umfeld positionieren, welches zunehmend von einer «Geopolitisierung» neuer Technologien beeinflusst wird?

Wie immer die Antwort ausfallen mag, eines ist klar: Die Komplexität neuer Technologien wie 5G erfordert eine politische Gesamtstrategie anstelle eines rein technischen Ansatzes.

Voraussetzung einer solchen Gesamtstrategie ist es, eine klare Unterscheidung zwischen der technischen und der geopolitischen Ebene zu treffen. Denn es wäre beispielsweise kaum zielführend, geopolitische Instrumente anzuwenden, um technische Risiken zu minimieren – und umgekehrt.

Ebenso falsch wäre es, 5G nur als schnelleren Nachfolger von 4G zu betrachten. Derzeit würde ein Netzwerkunterbruch im 3G/4G-Standard etwa das Video-Streaming in die Länge ziehen. In einer 5G-Welt wären die Risiken wohl wesentlich grösser. Eine Störung könnte dann den autonomen Strassenverkehr, intelligente Energienetze oder ferngesteuerte Operationen betreffen. Das wäre lebensgefährlich. Aufgrund dieser Tragweite dürfte 5G in einigen Staaten als nationale kritische Infrastruktur eingestuft werden. Sichere 5G-Netzwerke wären also ein grosser Standortvorteil.

5G muss aufgrund seiner gesellschaftsrelevanten Tragweite zwingend unter dem Gesichtspunkt der IT-Sicherheit betrachtet werden. In der stets auf Qualität und Sicherheit bedachten Schweiz dürften dabei drei Aspekte zentral sein: Produktqualität, Unternehmensstruktur der 5G-Anbieter und Netzwerksicherheit.

Öffentlich zugängliche Berichte des britischen Zentrums für Cybersicherheit kommen beim chinesischen 5G-Anbieter Huawei seit Jahren zum Schluss, dass neben allgemein undurchsichtigen Prozessen die Softwarequalität schlecht und die technische Fehleranfälligkeit hoch sind. Inwiefern Huawei technisch vertraut wird, ist damit im Wesentlichen eine Frage des Vertrauens in die eigenen Cyberabwehr-Kapazitäten und in das chinesische Rechtssystem, aus dem Huawei operiert. Europäische Konkurrenten wie Ericsson und Nokia sind ebenfalls nicht risikofrei, aber im Gegensatz zu Huawei sind beide Unternehmen in Rechtsstaaten angesiedelt und punkten dank Börsennotierung mit mehr Transparenz.

Es sollte allerdings nicht vergessen werden, dass auch Netzwerke ohne jegliche Huawei-Beteiligung nie sicher waren. Der 5G-Ausbau ist daher auch eine Chance, Schwachstellen wie unübersichtliche Quellcodes oder zentralisierte Datenflüsse zu beheben und durch dezentrale und damit sicherere Internetprotokolle wie beispielsweise das in der Schweiz entwickelte Scion zu ersetzen. Eine sichere Internetarchitektur dürfte die Problematik der Produktqualität von Huawei relativieren und Angriffsflächen für Sabotageakte, Cyberangriffe oder Spionageaktivitäten minimieren. – Die Geopolitisierung von Technologien wie 5G steht exemplarisch für die Frage, welche Position europäische Staaten im Grossmächtewettbewerb zwischen den USA und China einnehmen können. Beide versuchen, mit fragwürdigen Mitteln an Einfluss zu gewinnen.

Für die Schweiz ist es illusorisch, eine digitale Selbstversorgung anzustreben. Gleichwohl sollte die Sicherheitsdebatte rund um 5G als Anstoss dienen, Lieferketten bei Hochtechnologien genau zu analysieren, um die Risiken politischer Erpressbarkeit gezielt zu minimieren. Mehr Lieferkettensicherheit dürfte kurzfristig nicht gratis sein. Die Corona-Krise zeigt, dass der Preis fragiler Lieferketten ebenso beträchtlich sein kann.

Die Schweiz setzt sich wie die EU für einen offenen, freien, regelbasierten und fairen Cyber-Raum ein. Ob Bundesbern wie bei der Datenschutzverordnung und bei den Investitionskontrollen nachzieht und auch die Grundsätze des neuen «EU-Instrumentariums für 5G-Sicherheit» übernehmen wird, ist noch ungewiss.

Klar scheint, dass auf nationaler und auf EU-Ebene Kompetenzen aufgebaut werden müssen, um im Spannungsfeld von Technologie und Geopolitik nicht zum Spielball der USA und Chinas zu verkommen. Um die Frage einer Tech-Industriepolitik wird man dabei auch in Europa nicht herumkommen.

Die durch 5G aufgeworfenen technischen und geopolitischen Herausforderungen werden auch auf weitere neue Technologien anwendbar sein. Um ihnen erfolgreich zu begegnen, sind interdisziplinäre Gesamtstrategien vonnöten, welche das Spannungsfeld von Technologie, Geopolitik und Aussenhandel abdecken. Auch die Schweiz als hochentwickelter Industrie- und Dienstleistungsstandort muss sich auf den Weg machen, solche Gesamt­strategien zu entwickeln.

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