Elektronische Identität ist dringlich

Von | 9. Dezember 2017

Gastkommentar
von André Golliez und Christian Laux
(https://www.nzz.ch/meinung/digitale-wirtschaft-elektronische-identitaet-ist-dringlich-ld.1293510)

Der staatliche elektronische Identitätsnachweis (E-ID) in der Schweiz ist eine Leidensgeschichte. Die durch namhafte Bundesbeiträge mitfinanzierte, aber privatwirtschaftliche Lösung SuisseID ist kaum bekannt und findet abgesehen von wenigen Nischen seit Jahren kaum Anwendungen. Die Schweiz liegt im Bereich der staatlichen E-ID weit hinter anderen europäischen Ländern zurück. Das Fehlen einer weitherum akzeptierten und genutzten E-ID-Lösung behindert die Entwicklung in wichtigen digitalen Bereichen, welche einen staatlichen elektronischen Identitätsnachweis erfordern. Dazu gehören z. B. das elektronische Patientendossier oder die elektronische Verwaltung (E-Government).

Der Bund hat den Handlungsbedarf erkannt und in den letzten Jahren ein Konzept über staatlich anerkannte elektronische Identifizierungsmittel ausgearbeitet. Im Februar dieses Jahres wurde auf dieser Grundlage ein Bundesgesetz über anerkannte elektronische Identifizierungsmittel (E-ID-Gesetz) in die Vernehmlassung geschickt.

Der Kerngedanke des vorliegenden Gesetzesentwurfes ist einfach: Private und öffentliche Unternehmen sollen es richten. Der Bund soll ab 2021 sogenannte Identitätsdienstleister (Neudeutsch: Identity-Providers) dafür zertifizieren, staatlich anerkannte elektronische Identitäten auszustellen. Die Bürger sollen ihren elektronischen Pass bei einer Bank oder einem Logistikunternehmen beziehen und damit ihre Steuererklärung einreichen, ihre Patientenakten zugänglich machen oder elektronisch abstimmen. Der Bund selbst will auf die Herausgabe einer eigenen staatlichen E-ID verzichten.

Dieses Konzept ist zum Scheitern verurteilt. Es besteht die Gefahr, dass die helvetische E-ID-Leidensgeschichte um ein weiteres Kapitel reicher wird. Dies darf nicht geschehen. Die Schweiz würde auf dem Weg zur E-ID viele Jahre verlieren und den Anschluss an die digitale Wirtschaft in wesentlichen Bereichen verpassen.

Aus den folgenden Gründen kommt nur eine einheitliche Bundeslösung infrage: 1) Vertrauen gegenüber dem Herausgeber einer elektronischen Identität ist der Schlüsselfaktor für die Verbreitung und die Nutzung der E-ID. Der Bund geniesst in der Schweiz das höchste Vertrauen und ist daher am besten geeignet, die staatliche E-ID anzubieten. 2) Mehrere konkurrierende Angebote für staatliche elektronische Identitäten stiften Verwirrung, senken die Akzeptanz und zwingen den Bund dazu, diese Angebote gegenüber der Öffentlichkeit (dem «Markt») zu synchronisieren. 3) Nur der Bund ist in der Lage, das Angebot der staatlichen E-ID langfristig sicherzustellen. Private Anbieter mit konkurrierenden E-ID-Produkten werden über kurz oder lang wieder vom Markt verschwinden. 4) Die spezifischen Unternehmensziele der Identitätsdienstleister können mit der E-ID in Konflikt geraten. Es ist äusserst fraglich, wie viele Schweizer Bürger dazu bereit sind, ihre Steuererklärung mit der E-ID einer Bank einzureichen.

Die Ausstellung amtlicher Ausweise ist sowohl in der physischen als auch in der digitalen Welt eine hoheitliche Aufgabe. Nur eine hoheitliche E-ID des Bundes wird von den Berechtigten auch in allen Lebenslagen und für alle Arten von Geschäften eingesetzt werden.

Die Schweiz braucht dringend einen staatlichen elektronischen Identitätsnachweis. Nur wenn alle Unternehmen davon ausgehen können, dass ihre Kunden eine staatliche elektronische Identität besitzen, werden sie entsprechende neue Geschäftsmodelle und Angebote entwickeln. Eine staatliche E-ID ermöglicht den längst fälligen Durchbruch in der digitalen Wirtschaft und Verwaltung und darf nicht bis 2021 oder noch später aufgeschoben werden. Anstelle des vorliegenden Gesetzes braucht es einen schlanken, vom Bund betriebenen elektronischen Identitätsnachweis, welcher die Aufgaben eines amtlichen elektronischen Ausweispapiers erfüllt.

André Golliez ist IT-Berater und Präsident der Swiss Data Alliance; Christian Laux ist Rechtsanwalt und Vizepräsident der Swiss Data Alliance.

Aus dem NZZ-E-Paper vom 16.05.2017

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