Sperren im Internet nur mit guter Begründung

Von | 20. Januar 2018

Bei der Beratung über das Geldspielgesetz haben National- und Ständerat lange um einige Punkte gerungen. Die Netzsperren gehörten nicht dazu. Dass der Staat in der Schweiz erstmals per Gesetz den Zugriff auf einzelne Websites sperren darf, war im Parlament kaum umstritten. Das passte nicht allen. Mehrere Jungparteien und ein Bündnis aus netzpolitischen Organisationen ergriffen das Referendum gegen das neue Geldspielgesetz, hauptsächlich wegen dieser Regelung. Nun dürfte es im Rahmen des Abstimmungskampfs doch noch zu einer Debatte über Netzsperren kommen – und das ist gut so. Denn Netzsperren sind in mehrerlei Hinsicht problematisch.

Einem demokratischen Staat steht es nicht gut an, die Nutzung des Internets zu beschränken. Will er es trotzdem tun, muss er dafür gewichtige Gründe haben. Ein solcher Grund kann zum Beispiel Kinderpornografie sein, wo allein der Konsum strafrechtlich verboten ist. Deswegen sperren die meisten Internetprovider bereits heute kinderpornografische Websites, allerdings noch auf freiwilliger Basis. Das revidierte Fernmeldegesetz soll sie bald dazu verpflichten.

Beim Geldspielgesetz sind die vorgebrachten Gründe für die Netzsperren weit weniger schwerwiegend. Verweigert werden soll der Zugang zu ausländischen Anbietern von Online-Geldspielen, die in der Schweiz keine Konzession haben. Sie haben gegenüber den inländischen Anbietern zwei Vorteile: Erstens müssen sie auf den Gewinnen keine gemeinnützigen Abgaben zahlen zugunsten der AHV beziehungsweise der kantonalen Lotteriefonds. Zweitens müssen sie keine Massnahmen ergreifen, um süchtige Kunden zu erkennen und vom Glücksspiel auszuschliessen. Deswegen sollen Schweizer Spieler nach dem Willen des Parlaments nicht auf ausländische Angebote zugreifen können.

Das gleiche Parlament verweigerte allerdings den ausländischen Kasinos ebenso die Möglichkeit, in der Schweiz eine Online-Konzession zu erwerben – und damit die staatlichen Vorgaben zu erfüllen. Gleichzeitig ist das Spielen ausserhalb des Geltungsbereichs der Schweizer Gesetze keine Straftat. Der Besuch von ausländischen Online-Kasinos bleibt auch in Zukunft legal. Die Netzsperren sollen nur den Zugang zu ausländischen Geldspielangeboten erschweren. Die Absicht des Parlaments ist deshalb hauptsächlich Heimatschutz für hiesige Kasinos. Das kann nicht Aufgabe des Staats sein.

Als weiteres Argument gegen Netzsperren kommt hinzu, dass sie meist sehr leicht umgangen werden können. Es gibt zahlreiche unkomplizierte Programme, mit denen sich auch technisch unerfahrene Nutzer wieder Zugang zu den gesperrten Geldspielangeboten verschaffen können. Völlig legal, denn auch die Umgehung der Netzsperren ist nicht strafbar. Der Versuch des Staats, Kontrolle über die Nutzung des Internets auszuüben, bleibt wirkungslos.

Schliesslich ist auch die fehlende juristische Legitimation ein Schwachpunkt von Netzsperren. Über die Frage, welche Online-Angebote gesperrt werden, entscheidet nur eine Verwaltungsbehörde und kein Richter. Beim Geldspielgesetz führen die Eidgenössische Spielbankenkommission und die interkantonale Aufsichts- und Vollzugsbehörde die Liste mit den gesperrten Websites. Eine übergeordnete Rekursinstanz fehlt.

Weil Netzsperren in einem demokratischen Staat heikel sind, sollten sie nur im Ausnahmefall zur Anwendung kommen. Es braucht gute Gründe, um sie zu rechtfertigen. Die Gründe im Geldspielgesetz reichen hierfür nicht aus.

Aus dem NZZ-E-Paper vom 19.01.2018

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