Urheberrecht und Lizenzgebühren

Von | 11. Mai 2019

Ein informativer Artikel aus dem Landbote vom 25.3.2019

Hans Muster* konnte die Geldforderung unmöglich voraussehen. Der Grund für die Forderung war ein Bild auf seiner Internetseite.
Muster ist Musiker und schaltet auf dieser Seite unter anderem Informationen über sich und seine Projekte auf. Mit der Erstellung des Internetauftritts hatte er einen Webdesigner beauftragt. Dieser fügte das Bild eines Datenkabels ein, um den Hinweis auf einige Angebote zum digitalen Herunterladen optisch aufzupeppen.
Eines Tages erhielt Muster einen Brief des Anwaltsbüros Meili Pfortmüller. Im Schreiben verwies das Büro auf die «unautorisierte Nutzung» des Bildes, dessen Rechte die «Masterfile Corporation wahrnimmt». Ein anderes Unternehmen hat demnach das Foto lizenziert und vermarktet dieses exklusiv. Da es sich um ein «fotografisches Werk» nach Schweizer Urheberrecht handle, sei es geschützt und dürfe nur mit Zustimmung verwendet werden. «Eine solche Zustimmung haben Sie nicht eingeholt, was zu einer Entschädigungspflicht führt.»
Die Entschädigung berechnete das Anwaltsbüro nach der «Lizenzanalogie», das heisst, die Kosten werden so berechnet, als hätte Müller eine ordentliche Lizenz erworben. Und das ergab eine Rechnung von 1474.20 Franken, die binnen zehn Tagen zu bezahlen sei. Diese Forderung verknüpfte das Anwaltsbüro mit dem Hinweis, das Bild sei umgehend von der Internetseite zu entfernen. Und schliesslich warnte das Anwaltsbüro davor, dass im Streitfall vor Gericht erhebliche Anwaltskosten und Verzugszinsen hinzukommen würden.

Soziale Medien betroffen
Seit Jahren häufen sich in Internetforen Klagen von Betroffenen über solche Fälle. Es gibt Dienstleister wie Copytrack, die Software anbieten, um bestimmte Bilder im Internet aufzuspüren. Manchmal erhalten Betroffene aus der Schweiz – oft aber auch aus anderen Ländern – Abmahnungen. Damit wird die Forderung nach einer Lizenzgebühr geltend gemacht. Nicola Benz, Rechtsanwältin bei Froriep, kennt einen anderen Fall, bei dem es um Fotos in sozialen Medien ging. Dabei erhielt ein Klient eine Forderung für Lizenzgebühren von Bildern, die fremde Leute auf seinem Kanal platziert hatten. Benz stellt fest, dass der Betrag ähnlich hoch war wie im Beispiel von Müller. Sie vermutet, dass die Betragshöhe bewusst so gewählt wird, dass einerseits Geld verdient werden kann und es sich andererseits für Betroffene kaum lohnt, einen eigenen Anwalt einzusetzen.
Doch was sollen Betroffene tun, wenn sie solche Forderungen für Lizenzgebühren erhalten? In seinem Antwortschreiben an das Anwaltsbüro argumentierte Müller, dass die Nutzung im Glauben erfolgt sei, es handle sich um ein lizenzfreies Bild. Und niemals sei es darum gegangen, urheberrechtliche Ansprüche zu umgehen. Er anerkenne deshalb keinerlei Rechtspflicht und weise jede Schuld von sich. Schliesslich konnte Müller auch nicht nachvollziehen, wie das Anwaltsbüro den geforderten Betrag berechnet hatte. Doch damit fand
der Berufsmusiker bei den Anwälten kein Gehör. Es gebe keinen «Gutglaubensschutz», argumentierten diese. Der Betrag sei also auf jeden Fall geschuldet, selbst wenn jemand anders den Internetauftritt erstellt habe. Zudem erhielt er Hinweise, wie die Gebühr berechnet worden ist.
Damit liess sich Müller nicht abspeisen. Er rief das Anwaltsbüro Meili Pfortmüller an. Im persönlichen Gespräch offerierte ihm die zuständige Sach¬bearbeiterin schon nach kurzer Zeit, die Forderung auf 1000 Franken zu senken, falls Muster sofort bezahlen würde. Um jedes Prozessrisiko auszuschliessen, willigte er ein und überwies den Betrag.
Herbert Pfortmüller, Anwalt der Kanzlei Meili Pfortmüller, bekräftigt auf Nachfrage, dass seine Klienten alle berechtigten Forderungen konsequent verfolgen würden. Damit müsse insbesondere dann gerechnet werden, wenn ein Lizenzgeber bereit sei, ein Schweizer Anwaltsbüro zu engagieren. Handkehrum räumt er auch ein, dass ihm kein Gerichtsurteil bekannt sei: «Es kommt immer schon vorher zu einem Kuhhandel.»
Nicola Benz wie auch weitere Rechtsexperten kommen zu einem anderen Schluss als Pfortmüller. Sie raten, durch eine Abmahnung beanstandete Bilder rasch zu entfernen. Auf finanzielle Forderungen würde Benz nicht eingehen. Ihr ist kein Fall bekannt, bei dem Urheberrechtsinhaber vor Gericht auf ihrer Forderung gegenüber Einzelpersonen beharrten. «Die Kosten eines Gerichtsverfahrens übersteigen die Lizenzgebühren deutlich», sagt sie.


Zwei Hürden
Die erste Hürde ist der Schadennachweis: Ein Lizenznehmer müsste vor Gericht beweisen, dass ein Bild urheberrechtlich geschützt ist. Nach heutigem Recht muss ein Bild in der Schweiz dafür einen individuel¬len Charakter haben. Schnappschüsse erfüllen dieses Kriterium nicht. Ob der urheberrechtliche Schutz zur Anwendung kommt, müssen die Richter von Fall zu Fall entscheiden.
Zweitens bezweifelt Benz, dass ein Lizenznehmer Forderungen im Umfang von 1000 Franken oder mehr durchsetzen könnte. Denn als Vergleichsgrösse würde ein Richter die Preise von weiteren Anbietern im Internet heranziehen. «Dort liegt die Gebühr für ein Bild nicht bei 1000 Franken, sondern eher bei 100 Franken oder sogar noch deutlich tiefer.» Daneben finden Interessierte im Internet auch viele lizenzfreie Angebote. Mit anderen Worten: Es lohnt sich für einen Lizenznehmer kaum, für Fotos aus dem Internet ein Gerichtsverfahren wegen unerlaubter Nutzung einzuleiten. Ein weiterer Grund, sich gegen solche Forderungen zu wehren, sei die damit verknüpfte Geschäftemacherei. «Solange Personen bereit sind zu zahlen, besteht ein Anreiz, solche Abmahnungen zu senden», sagt Benz.

Was das neue Recht bewirkt
Derzeit sind im Parlament Ände¬rungen des Urheberrechts hängig. So wie die Vorlage jetzt vorgespurt ist, dürfte ein neuer Sonderschutz für Fotos ein geführt werden. Demnach würde in Zukunft jeder beliebige Schnappschuss urheberrechtlichen Schutz geniessen und könnte entsprechend Forderungen nach Lizenzgebühren nach sich ziehen. «Aus rechtswissenschaftlicher Sicht macht das keinen Sinn», kritisiert Florent Thouvenin, Professor an der Universität Zürich und Experte für Urheber recht. Alle anderen Werke ausserhalb der Fotografie seien nur geschützt, wenn sie ein gewisses Mass an Kreativität aufwiesen.
Fachleute sprechen auch von einem individuellen Charakter. Demnach muss in jedem Streitfall einzeln beurteilt werden, ob ein urheberrechtlicher Schutz vorliegt. Thouvenin sieht darin keinen Nachteil. «Der Markt für Fotografien funktioniert grundsätzlich gut», argumentiert er. Die aktuelle Vorlage löse deshalb kein reales Problem. Zudem habe das Gesetz «rechtstechnische Mängel», die «viele Unsicherheiten produzieren». Den Grund sieht Thouvenin darin, dass die neuen Normen von einer Gruppe von Interessenvertretern ausgearbeitet worden sei; auf den Beizug von Experten wurde weitgehend verzichtet.
Was würde eine solche Verschärfung des Urheberrechts bei Fotos für Internetnutzer bedeuten? Müssten sie vermehrt Lizenzgebühren für unerlaubte Verwendung bezahlen? Laut Nicola Benz, Urheberrechtsexpertin bei Froriep, würde für Lizenznehmer eine Hürde wegfallen. Sie müssten im Streitfall vor Gericht nicht mehr den individuellen Charakter eines Fotos beweisen. Sie ist aber überzeugt, dass es für Inhaber eines Urheberrechts immer noch kaum interessant wäre, eine Forderung nach Lizenzgebühren vor Gericht durchzusetzen, wenn betroffene Nutzer eine Zahlung verweigern. Allerdings wäre für die Betroffenen in vergleichbaren Fällen das Risiko von Betreibungen bedeutend grösser, selbst wenn die Forderung rechtlich nicht Bestand hätte. (ki)

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